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GRUNDLAGEN DES HINDUISMUS

Grundlagen des Hinduismus

Der Hinduismus ist die älteste der grossen Religionen dieser Welt. Ursprünglich vor allem in Indien praktiziert, haben ausgewanderte Hindus diese vielschichtige Religion inzwischen in fast alle Teile der Erde gebracht. Interesse, Neugierde und globales Denken führten dazu, dass viele Aspekte, die ihren Ursprung im Hinduismus haben, sich auch im Westen etablierten, wie beispielsweise Yoga, Meditation, Ayurveda und bestimmte Mode-Accessoires wie Bindis. 

Der Ursprung ist nicht bekannt; es gibt weder einen offiziellen Gründer noch ein nachweisbares Gründungsdatum. Spuren des Hinduismus gehen aber mehrere Tausend Jahre zurück. Für die Hindus ist ihr Glaube jedoch Santana-Dharma (सनातन धर्म),  ewige Religion. 

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Theologie

Hinduistische Theologie umfasst praktisch alle Ausdrucksarten der verschiedenen Glaubensformen: die Verehrung von Naturgottheiten (Pantheismus), den Vielgötterglauben (Polytheismus), die unteilbare Einheit der gesamten Schöpfung und aller Lebewesen (Monismus) sowie den Glauben an einen Gott, der über alles herrscht (Monotheismus). 

Philosophie

Für die Hindus verläuft die Zeit zyklisch, das heisst sie hat weder einen Anfang noch ein Ende. Sie ist, wie die Jahreszeiten, ein ewiger Kreislauf verschiedener Zeitalter (Yugas). Die Seele ist unsterblich und wandert gemäss ihren Handlungen (Karma) durch verschiedene Lebensformen. Den als Reinkarnation bekannten Begriff nennen die Hindus Punarjanma, was Wiedergeburt bedeutet oder auch Saṃsāra (संसार), Kreislauf von Geburt und Tod. Ihr Ziel ist es, aus diesem Kreislauf durch gottesbewusstes, spirituelles Handeln frei zu werden (Moksha), um je nach Glaubensrichtung die Ewigkeit (Nirvana) oder das Reich Gottes zu erreichen. 

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Gottheiten

Ähnlich wie im vorchristlichen Europa die Natur und der gesamte Kosmos von verschiedenen Gottheiten durchdrungen waren, kennt der Hinduismus eine beinahe unbegrenzte Anzahl göttlicher Wesen, genannt Devas. Es sind dies universale Herrscher, die für alle Aspekte des Lebens zuständig sind: Fruchtbarkeit, Gesundheit, Reichtum, Macht, Tod usw. Sie beherrschen auch die Elemente wie Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum. 
Zu den mächtigsten gehören Shiva, der unter anderem für die Auflösung des Kosmos am Ende der Zeit zuständig ist, Brahma, der Schöpfer der materiellen Welt, und Vishnu als Erhalter des Universums. Sehr beliebt ist der elefantenköpfige Ganesha, der angebetet wird, um die Hindernisse im Leben zu entfernen. Lakshmi, die Glücksgöttin, erhält Huldigung von jenen, die Reichtum und Wohlergehen wünschen. Hanuman, der Affengott gilt als Symbol der Hingabe und Treue. Am populärsten ist Krishna. Seine bezaubernde Lieblichkeit wird in vielen Hymnen besungen und sein philosophischer Dialog in der Bhagavad-Gita gilt als bekannteste Schrift des Hinduismus. Besonders zu erwähnen sind auch die Avataras, Erscheinungen einzelner Gottheiten auf der Erde. Zahlreiche Texte beschreiben die Dasha-Avataras, die zehn „Inkarnationen“ Vishnus. 

Hindu Literatur

Schriften

Fast so zahlreich wie die Gottheiten sind die Schriften der Hindus. Zu den ältesten gehören vor allem die auf rituelle Beschreibungen ausgerichteten vier Grundtexte, die Vedas. Dazu gibt es über hundert Upanishaden (उपनिषद्), die philosophische Dialoge enthalten. Bekannt sind auch die zahlreichen Puranas. Sie beschreiben die Theologie und Philosophie in Form von Geschichten. Sehr populär sind die beiden epischen Werke (poetische Heldengeschichten) Ramayana und Mahabharata, zu dem auch die Bhagavad-Gita gehört, welche die indische Gotteslehre zusammenfasst.

Hindugesellschaft

Ein wichtiges Bindeglied sind die Samskaras, religiöse Zeremonien, die vor der Zeugung beginnen und bis nach dem Ableben durch Familienmitglieder durchgeführt werden. Sie sollen eine bestimmte Seele läutern und sie mit den Segnungen der zuständigen Gottheit begleiten. Ein anderer besonderer Aspekt des Hinduismus bildet die soziale Einteilung in verschiedene Berufsgruppen (Priester, Könige/Herrscher, Händler, Arbeiter usw.). Die ehemals harmonisch zusammenarbeitenden Gesellschaftsunterteilungen (Varnas) dege-nerierten im Laufe der Zeit und haben im heutigen Indien an Bedeutung verloren.

Mönche bei einer Zeremonie
Tempel

Tempel

Auffallend in Indien sind die zahlreichen Tempel – von kleinen Weihestätten an einer Strassenecke oder in einer Wohnung bis zu imposanten, riesigen Kunstwerken aus Granit und Marmor. Das Heiligste sind die geweihten Statuen jener Gottheiten, Murti oder Archa-Vigraha genannt, die sich im Innern des Tempels befinden. Sie werden erst verehrt, wenn sie durch eine traditionelle Einweihungszeremonie (Prana-Pratishta) mit der göttlichen Kraft und Gnade „beseelt“ wurden.

Feste

Wer Indien besucht ist immer wieder erstaunt, wie viele religiöse Feste gefeiert werden. Oft dauern sie mehrere Tage und sind in ihrer Vielfalt und Bedeutung sehr unter- schiedlich. Das in ganz Indien gefeierte Diwali-Fest ist das wichtigste und grösste. Es vereint verschiedene Aspekte, gilt unter anderem als das «Lichtfest», das den Sieg über die Dunkelheit – die Überwindung des Bösen – feiert. An diesem Tag besucht man Freunde und Verwandte und beschenkt sich mit Süssigkeiten. In einigen Gegenden Indiens ist Diwali auch der Beginn eines neuen Jahres. Ein anderes, vor allem sehr buntes und fröhliches Fest ist «Holi», das im Frühling gefeiert wird. Auch die Geburten grosser Gottheiten werden entsprechend festlich zelebriert. Besonders beliebt sind die Erscheinungstage von Krishna, Rama, Vishnu, Shiva, Ganesha, Durga sowie Saraswati. Die entsprechenden Festdaten richten sich nach dem Mondkalender und variieren deshalb von Jahr zu Jahr.

Verbreitung

Es gibt auf der ganzen Welt ungefähr eine Milliarde Hindus. Etwas über siebzig Prozent der Bevölkerung Indiens gehört dieser Religion an. Daneben gibt es einige Länder, in denen ein ansehnlicher Teil der Bewohner Hindus sind: Nepal, Bali (Indonesien), Mauritius, die Fiji-Inseln, Sri Lanka (Tamilen). Nicht nur Hindus, die in alle Kontinente auswanderten, sondern auch eine kleine Anzahl westlicher Menschen praktizieren Aspekte des Hinduismus.

Fazit

Wie alle Religionen ist auch der Hinduismus eine Glaubenslehre, die sich über das materielle, irdische Leben hinaus erhebt. Er gibt den Menschen Selbstverantwortung, leitet sie aber auch durch Rituale, heilige Schriften, Priester und religiöse Feste dazu an, alle Lebewesen, Natur und Kosmos als eine von Gott geschaffene natürliche Einheit zu verstehen. Im Hinduismus gilt es, diese Harmonie zu erkennen und sie im Alltag zu integrieren. Religion – das Verbundensein mit Gott – ist für einen Hindu so immer und überall erfahrbar. 
 

Hari Om Tat Sat -  ओम् तत् सत्

Ursprünglicher Text: Guido von Arx, Zürich - www.gitaproductions.org 
​Überarbeitung: Satish Joshi/ Krishna Premarupa Dasa

Weiterführendes Wissen

Die Entwicklung des Hinduismus

 

Als Sanātana Dharma (der ewige Dharma, das ewige universale Gesetz) hat der Hinduismus keinen Anfang, wie ihn die verschiedenen religiösen Strömungen der Weltreligionen kennen. Die Weisheit (Veda) wird als Atem des Absoluten (Parabrahman, Paramātmā) verstanden.


Die ältesten archäologischen Hinweise auf eine Lebensweise im Einklang mit der Natur und Hinweise auf asketische Aspekte finden sich ungefähr im 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung (in der Zivilisation des Industals).

 

Die ältesten vedischen Texte -- Ṛgveda, Yajurveda, Sāmaveda, Atharvaveda -- bezeugen eine lebendige Spiritualität im Einklang mit Satya als Ṛta und Dharma, der Wahrheit als weltumfassendes, welterhaltendes Gesetz (siehe Ṛgveda 10.85.1).


Die aus diesen Texten abgeleitete Lebensweise wird als Dharma, Hindu Dharma oder Sanātana Dharma bezeichnet. Historiker sind sich einig, dass der Hinduismus als Gesamttradition mit vielen Subformen von der vedischen Zeit bis ins frühe Mittelalter (9. Jh.) auf dem indischen Subkontinent (sowie teilweise in Burma, Thailand und Indonesien) als durchgehende Praxistradition gelebt wurde.


Ab dem 9. Jh. entstanden Erneuerungsbewegungen, die vor allem auf den Upaniṣaden der Veden und den Bhakti-Traditionen bauten und das Bild des heutigen Hinduismus tief prägten.

Im 19. Jh. und 20. Jh. entstanden wiederum weitere Erneurungsbewegungen, welche den Hinduismus dem Rest der Welt öffnete und zugänglich machte.

Hinduistische Literatur

Das Volumen der hinduistischen Literatur ist massiv: es besteht aus dem vedischen Kanon (jeder der vier Vedas besteht aus einer Saṁhitā, mehreren Āraṇyakas, Brāhmaṇas und Upaniṣaden), den Itihāsas (Rāmāyaṇa, Mahābhārata, worin sich auch die weltberühmte Bhagavadgītā findet), den 18 Mahāpurāṇas (wie dem Śrīmadbhāgavata-mahāpurāṇa, Skanda-purāṇa usw.), den Smṛtiśāstras, Sūtras, Āgamas, unzähligen Kleinwerken (Prakaraṇas), Kommentaren (Bhāṣyas), Subkommentaren (Ṭīkās) und Erklärungen (Ṭippaṇīs) zu diesen Werken.


Traditionell werden sechs verschiedene Sichtweisen (Darśanas) als gültige Interpretationen der vedischen Weisheit erachtet:


Sāṁkhya, Yoga,  Nyāya, Vaiśeṣika, Pūrva-mīmāṁsā (die frühere Auslegung) und Uttara-mīmāṁsā (die spätere Auslegung, Vedānta)


Die meisten Formen des heutigen Hinduismus beziehen sich auf Yoga und Vedānta in ihren zahlreichen Interpretationen und Traditionen.


Die Bhagavadgītā vermittelt die Sicht, dass das Göttliche über verschiedene Yogas zu erreichen sei: Jñānayoga (Yoga des Wissens), Bhaktiyoga (Yoga der Hingabe), Rājayoga (der königliche Yoga der Meditation), Karmayoga (Yoga der Arbeit oder Pflicht).


Im Zentrum des Hinduismus steht die Sicht, dass alle Lebewesen dem Karma als Gesetz von Ursache und Wirkung unterworfen sind; ferner, dass Karma nicht nur während eines Lebens wirkt, sondern über unzählige Leben hinweg den Zyklus bzw. das Rad des Saṁsāra antreibt. Nur durch die Auflösung und Befreiung von allen Karmas wird Erlösung (mokṣa, nirvāṇa) möglich.

Texte: Acharya Vidyabhaskar 

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